Genusswanderland Belgische Ardennen (Wandermagazin, Heft: 171)
WandermagazinWandern 6. Dezember 2013Wanderer, kommst du nach Spa, hol Dir erst mal nasse Füße im Moor und mach’ später Spa in Spa. Aber eins nach dem anderen.
Wir starten im Fagne de Malchamps. So wie es mir mein deutsch-belgischer Wander-Guide Eric erklärt, ist es eigentlich ganz einfach. Fagne heißt Venn, das kennt man vom Hohen Venn. Und Venn kann man wiederum mit Moor übersetzen. „Mal“ heißt schlecht und „Champs“ heißt Feld, wir gehen also im Schlechtes-Feld-Moor. Weil wir aber nichts anpflanzen wollen, ist uns schnuppe, ob das Feld gut oder schlecht ist – Wandern kann man hervorragend. Wir gehen auf Stegen durchs Moor, die sind anfangs breit, später sehr schmal. Auf einem Aussichtsturm verschaffen wir uns einen Überblick über das Moorgebiet. Unser Blick geht über die hügeligen Weiten der Ardennen, im Norden sehen wir Kohle-Abraumhalden und Schornsteine im Lütticher Raum. Obwohl es fast windstill ist, wackelt der ganze Turm. Eric erklärt, dass man sich das Fagne wie einen Schwamm vorstellen muss. Das Regenwasser wird aufgesogen und sickert durch die Erd- und Gesteinsschichten darunter bis zu den 300 Quellen der Region. Das Moor ist sozusagen das Sammelbecken für die legendären Quellen von Spa.
Schwamm, Quellen und Bohlen
Das mit dem Wackeln macht mich nervös, schnell runter vom Turm, zurück auf die Stege. Einige Bretter müssen ausgetauscht werden, so dass wir manchmal direkt durch das Moor gehen, vorbei an schwarzen, unheimlichen Pfützen. Eric erzählt von Wanderern, die bis zur Hüfte in den schwarzen Löchern versunken sind. Soll der Eric mal vorgehen, dann sehe ich ja, was passiert. Je weiter wir kommen, desto deutlicher hören wir das Summen der Hobby-Rennfahrer auf dem Formel-Eins-Kurs von Spa-Francorchamps. Die Pistenkönige müssen genauso in der Spur bleiben wie wir auf dem Steg. Wir haben den Rand des Fagne erreicht und gehen durch Birken- und Buchenwälder über tolle Pfade weiter. Später wandern wir auf einem sehr breiten Weg, der aber Sinn macht, die Schneise bietet Brandschutz fürs Moor. Das ist wichtig, denn ohne Moor kein Schwamm, ohne Schwamm keine Quelle, und ohne Quelle kein Spa.
Wohltaten für Körper und Geist
Die Wanderer kommen nach Spa und erfrischen sich an der Quelle Peter des Großen direkt neben der Tourist Info. Das Wasser riecht etwas schwefelig, schmeckt aber hervorragend. Ein Durstlöscher ist es aber nicht, denn es hat eine entschlackende Wirkung, abführend könnte man auch sagen. Die Quelle hat Peter der Große der Stadt gespendet, aus Dankbarkeit, weil er in Spa gesund wurde. Seit über 500 Jahren wird Spa wegen seiner Quellen aufgesucht, weshalb der Ardennenort sozusagen die Mutter aller Heilbäder ist. Daher hat es sich im angelsächsischen Sprachgebrauch durchgesetzt, einfach den ganzen Wellness-Sektor „Spa“ zu nennen. Viel Prominenz und gekrönte Häupter haben in Spa gekurt, sie kamen wegen des Wassers, aber auch wegen der Geselligkeit. Das erste Casino der Welt eröffnete 1763 in Spa, und da ging es nicht vordergründig um Glücksspiel, sondern um Tanz und Vergnügen. Jeden Tag fand ein Ball mit einer Tanzkapelle statt, mit der die Vorfahren von André Rieu den Kurgästen einheizten. Der Kurort hat tatsächlich eine große Geiger-Tradition. Wir sehen ein Gedächtnisporträt von Georges Krins, der erster Geiger auf der Titanic war und fiedelte, bis das Schiff unterging.
Da der Mensch nicht nur vom Wasser alleine lebt, wollen Eric und ich eine Mahlzeit zu uns nehmen. Wir schlendern durch Spa und können uns nicht entscheiden. Sollen wir den typischen Reiskuchen nehmen, eine belgische Waffel, ein paar Pralinen? Wer die Qual der Wahl hat, nimmt oft etwas ganz anderes. Wir fahren mit dem Taxi in einen Außenbezirk von Spa auf der Anhöhe. Auf knirschendem Kies hält der Wagen, wir sind am Manoir de Lébioles angekommen. Das Manoir (Herrenhaus) wird auch das kleine Versailles der Ardennen genannt. Unser letzter Kaiser Wilhelm II. legte in diesem Gebäude seine Kaiserkrone nieder. Wahrscheinlich war sie ihm zu schwer geworden, er wollte es eben lieber in Spa krachen lassen. Die Küche von Olivier Tucki gab es 1918 noch nicht, aber die werden wir heute Abend genießen.
Der mit den Punkten…
Der Küchenchef des Manoir ist für seine Arbeit mit 16 Gault Millau Punkten ausgezeichnet worden. Ich hätte ihm noch mehr gegeben, denn das Menu ist fantastisch. Besonders hat es mir das Saint-Pierre-Filet mit Gillardeau Austern angetan. Im Kräutermantel liegt das Fischfilet vor mir, grün, wie die Wälder rund um Spa. Und der Gag des Ganges: Ein schwarzer, luftiger Macaron auf der Basis von Tintenfischtinte, der im Mund zerplatzt wie eine Seifenblase, wie ein unbedachter Tritt im Hochmoor, der einen tief versinken lässt. Zum Essen gibt es begleitend tolle Weine, aber natürlich auch Quellwasser aus Spa. Es gibt nämlich zwei Arten von Quellen in Spa: die eisenhaltigen mit der abführenden Wirkung und die klaren Wasser, die wir im Gourmet-Restaurant genießen.
Glücklich und zufrieden übernachten wir im Bed & Breakfast „L‘Etape Fagnarde“. Unsere Gastgeber sind gebürtige Luxemburger und sprechen perfekt deutsch. Die fünf Zimmer sind sehr individuell gestaltet. Beim morgendlichen Blick auf den Sonnen überfluteten Park des Hauses möchte man eigentlich gar nicht mehr nach Hause fahren, sondern nur noch in Spa wohnen, genießen, wandern, Spa machen, genießen, wandern, Spa machen, genießen… (von Manuel Andrack, Erschienen in: Wandermagazin, Ausgabe 171)
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